Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn deine Eltern dich so wenig haben wollen, dass sie dich gleich nach der Geburt verstoßen?

Abraham weiß, wie sich das anfühlt. Denn genau dies ist das Schicksal dieses jungen Teenagers, der zur Volksgruppe der Roma gehört. Liebende und fürsorgliche Eltern? Ein Fremdwort für Abraham, der seine Kindheit bei seiner Oma verbrachte. Diese zog den Enkel unter sehr schweren Lebensbedingungen groß. Zum Alltag der Großmutter gehörte auch das Betteln, um wenigstens etwas Milch für ihren kleinen Enkel zu bekommen. Sie zogen von Ort zu Ort, pendelten zwischen zwei Regionen, um zeitweilig bei Verwandten Unterkunft zu bekommen. Die Eltern waren viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt: Abrahams Vater kam mit dem Leben nicht klar, wurde drogen- und alkoholabhängig und saß auch im Gefängnis. Obwohl Vater und Sohn in demselben Ort wohnten, gab es kein gesundes Verhältnis zueinander. Im Gegenteil: Mehrmals bedrohte er Abraham - seinen eigenen Sohn - und die Oma - immerhin seine eigene Mutter - mit einem Messer, nur um die Oma ihrer geringen Rente zu berauben. Was machen solche Erlebnisse wohl mit einem Kind? Aber schauen wir doch noch ein wenig auf seine Kindheit:

Abraham besuchte das erste Schuljahr, doch Familienskandale ließen einen regelmäßigen Schulbesuch einfach nicht mehr zu. Kein Wunder, dass Abraham erst mit 14 Jahren die 4. Klasse absolvieren konnte. Das war auch das Alter, in dem er seine leibliche Mutter und seine Brüder erstmals kennenlernte. Heute besucht Abraham die 7. Klasse und wohnt weiterhin bei seiner nun schon sehr kranken Oma. Ist das Schicksal von Abraham ein tragischer Einzelfall? Leider nein. Die Kindheit Abrahams steht stellvertretend für viele Roma-Kinder, die mit einer ähnlichen Bürde in ihr Leben starten müssen. Eine Last, die man keinem Kind wünscht.

In der Region Nischni Nowgorod leben zurzeit ca. 4.500 Roma. Diese Roma-Familien sind in der Regel kinderreich, haben keinen festen Wohnsitz und wohnen auf sehr engem Raum, der keine emotionalen Rückzugsmöglichkeiten bietet und somit oft zum Auslöser von Familienkonflikten wird. Geschlafen wird auf Decken oder Matratzen auf dem Boden. Viele Roma leben in Siedlungen ohne Wasseranschluss und Toiletten. 78% der Roma sind Analphabeten. Die Kinder können oft nicht in die Schule gehen und erhalten nicht die nötige elterliche Liebe und Fürsorge. Deshalb gehören sie zur Risikogruppe der vernachlässigten Kinder - den „sozialen Waisen“.

Seit September 2015 arbeitet unter der Leitung von Claudia Wendt (DMG interpersonal e.V.) ein Team bestehend aus dem russischen Wohltätigkeitvereins „Love People“ der Stadt Bor und einer Kirchengemeinde der Stadt Nischni Novgorod unter der Volksgruppe der Roma. Sie betreuen die Roma-Kinder in einer kleinen privaten 2-Zimmer-Wohnung, die 5 Kilometer von deren Schule entfernt liegt. In einer Art Kinder- und Jugendtagesstätte lernen die Kinder einen gesunden Tagesablauf und Lebensstil, bekommen Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung. Auch kümmert man sich hier um die persönlichen Belange der Kinder. Hier können sie in einem behüteten Rahmen zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen, ihr Gabenpotential Schritt für Schritt entdecken und dieses entfalten. Also alles im grünen Bereich?

Leider nein: Die Räumlichkeiten sind zu klein und zu ungelegen. Es werden zu wenige Roma-Kinder erreicht. Deshalb soll in Zusammenarbeit mit der Kinderarche Sankt Petersburg auch in Bor eine Kinderarche entstehen, die den Bedürfnissen der Kinder entspricht. Dafür wollen wir größere Räumlichkeiten in Schulnähe erwerben, die einen Aufenthaltsraum für Schularbeiten und Freizeitbeschäftigung, Küche, Bad, Toiletten, Gästezimmer für freiwillige Helfer, Lagerraum für gespendete Kleidung und Schulmaterialien, Büro sowie Schlafräume für die Kinder beinhalten.

Es liegt uns so am Herzen, dass diese Roma-Kinder aus dem Kreislauf kaputter Familien und unzureichender Bildung herausfinden und eine Kindheit erhalten, die zum Grundstein für ein erfolgreiches Leben werden kann. Dazu gehört aus unserer Sicht, dass jedes dieser Kinder die Möglichkeit zu einem vernünftigen Schulabschluss haben soll. Faszinierend an Hilfe dieser Art ist auch, dass aus diesen Kindern Vorbilder für viele andere Menschen werden können, ggfs. sogar den Lauf künftiger Generationen verändern können. Deshalb brauchen diese Kinder einen Ort, der ihnen die notwendigen Voraussetzungen bietet, ungestört und in einer liebevollen und wertschätzenden Atmosphäre ihren kindlichen Bedürfnissen und Verpflichtungen nachgehen zu können.

Berührt das auch dein Herz? Du kannst dazu beitragen, das Lebensschicksal dieser Kinder grundlegend zu verändern! Hilf doch mit, dass wir dieses Ziel gemeinsam erreichen und Kindern in ihrer Not neue Perspektiven im Leben schenken.