Wie viel Hoffnung auf einen Neubeginn, auf Freiheit und Souveränität war im Jahr 1991 mit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine von der Sowjetunion verbunden! – Nur um von einer umso tristeren Realität rechts überholt zu werden. Denn auf dem Preisschild für die Freiheit stand und steht für viele Menschen auch große Armut und Hoffnungslosigkeit. Für so manchen sind die Träume von einem gut bezahlten Job und einer glücklichen Familie wie eine Seifenblase zerplatzt. Die Zeit heilt ohne Zweifel nicht alle Wunden:

Heutzutage, grob drei Jahrzehnte später, stranden auf der Krim-Halbinsel immer noch gescheiterte Existenzen. Viele Eltern suchen ihre schmerzhaften Erfahrungen, ihre Sorgen und geplatzten Träume in Alkohol zu ertränken oder in Drogen zu ersticken. Wer bleibt dabei auf der Strecke? Natürlich die Kinder, die viel zu oft in Bezug auf Versorgung, Fürsorge und Erziehung vernachlässigt werden. Traurige Folge: Viele Kinder landen als Waisen bzw. „soziale Waisen“ auf der Straße und neigen dann oft dazu, ihrerseits in das Lebensmuster der Eltern zu verfallen, sodass sich das traurige Schicksal in einem unseligen Kreislauf von Generation zu Generation wiederholt.

Doch wir sind fest davon überzeugt, dass sich dieser Kreislauf unterbrechen lässt und echte Lebensveränderung mit Hoffnung möglich ist. Wie? Im Rahmen einer Pflegefamilie. Dies ist der Kern des Hilfskonzepts der Kinderarche auf der Krim. Dieses Konzept hat enorme Vorteile, wenn man nicht nur kurzzeitig, sondern vor allem nachhaltig helfen möchte. Im Rahmen einer Pflegefamilie können die Kinder lernen, ihren Alltag selbst zu organisieren, sich Herausforderungen in einer gesunden Weise zu stellen und dabei das sichere und liebevolle Umfeld einer familiären Atmosphäre zu genießen.

2017 wurde auf der Krim in der Provinzstadt Saky ein Grundstück mit zwei Häusern für die Kinderarche gekauft. Das kleinere Haus wurde bereits mit der Hilfe von vielen Freiwilligen umgebaut. Ein Jahr später zog die erste Pflegefamilie ein. Seitdem hat sich viel getan in der Kinderarche in Saky. Inzwischen unterstützt die Kinderarche Krim 36 Pflegefamilien und 196 Kinder. Einer davon ist Aljoscha

Der 13-jährige Junge wurde in eine Pflegefamilie aufgenommen, nachdem seine Mutter ihn wie überflüssiges Gepäck in einem Kinderheim zurückgelassen hatte. Man kann es kaum fassen, aber Aljoscha war im Alter von 13 Jahren noch nie in der Schule gewesen und konnte entsprechend weder lesen noch schreiben. An seiner Begabung lag es nicht. Mit der liebevollen Begleitung seiner Pflegefamilie macht Aljoscha seit einem Jahr sehr gute Fortschritte: Er besucht die Schule, entwickelt und entfaltet seine eigene Identität, zeigt dabei gute Fähigkeiten, u.a. im Umgang mit den Tieren, die auf dem Bauernhof der Pflegefamilie leben. Neben der Fürsorge und der schulischen Förderung erlebt Aljoscha in der Pflegefamilie zum ersten Mal Liebe und Geborgenheit.

Wir wünschen uns so sehr, dass noch viele andere Kinder die Chance zu so einem Gezeitenwechsel in ihrem Leben erhalten. Dafür setzen wir uns auf vielfache Weise ein: Die Arbeit der Kinderarche auf der Krim umschließt Schulungen und Seminare für Pflegeeltern, Kinderfreizeiten für Waisen und Sozialwaisen, Familienbesuche sowie die Organisation von Treffen für Pflegefamilien, Weihnachtsfeiern und Sommerausflüge. Solche “Networking”-Veranstaltungen können helfen, von- und miteinander zu lernen und sich gegenseitig zu ermutigen. Denn selbstverständlich erfordert eine solche Aufbauarbeit den Pflegeeltern viel Geduld und Kraft ab. Die große Frage ist:

Wie können wir noch mehr Kinder den Vorzeichenwechsel ermöglichen? Nach einer langjährigen, erfolgreichen Arbeit der Kinderarche in Sankt Petersburg und auf dringliche Bitte der Behörden in Saky hin will die Kinderarche auf der Krim ihre Tätigkeit und Arbeit nun weiter ausbauen. Dazu gehört für den Zeitraum 2020/21 zunächst die geplante Sanierung des zweiten dreistöckigen Hauses in Saky abzuschließen – ein großes und wichtiges Projekt, denn: Für die Entwicklung der Kinder ist es entscheidend wichtig, in intakten Familienstrukturen heranwachsen zu können. Dies soll ermöglicht werden durch die Unterbringung von Kindern in mehreren Familienwohngruppen innerhalb des Gebäudes. In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass ein Ehepaar (ggfs. auch mit eigenen Kindern) die Erziehung der Kinder übernehmen soll. Für jede Familienwohngruppe soll eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden, die in das geplante Haupthaus integriert ist, aber auch über einen separaten Eingang zugänglich ist und nötige Räumlichkeiten wie Schlafzimmer, Küche, Sanitärbereich usw. enthält. In der unteren Etage des Hauptgebäudes befinden sich zudem ein großer Saal und eine Großküche, die für Veranstaltungen genutzt werden können. Langfristig sollen um das Haupthaus herum noch weitere Häuser saniert werden, in denen weitere Familiengruppen untergebracht werden können.

Eine Vision dieser Art und Größe benötigt viele Hände, die anpacken und/oder sich auch finanziell beteiligen. In diesem Sinne laden wir Sie herzlich ein, diese Arbeit zu Ihrem ganz persönlichen Herzensanliegen zu machen. Es geht hier nicht um den Bau bzw. die Sanierung von Immobiliensubstanz, sondern um eine Investition in das Leben und in die Zukunft von Kindern, die in ihrem bisherigen Leben viel zu wenige Chancen hatten und viel zu oft als ungeliebter Ballast herumgestoßen wurden. Krempeln wir gemeinsam die Ärmel hoch und verändern die Welt!